Kölner Stadt-Anzeiger - Nr. 113 - Pfingsten 1997 - 39 * * *


KULTUR

Grenzen der Wahrnehmung
Neue Medien setzen Kreativität frei. Rudi Molacek und Matthias Groebel

"Ein Computer-Bildschirm ist keine Leinwand und ein Joystick kein farbtriefender Pinsel (P. Friese)". Was aber, wenn Künstler beide Bereiche miteinander verknüpfen? Das Ausmaß der Medienrevolution, die mit der Fotografie ihren Anfang genommen hat, tritt erst seit wenigen Jahren ins allgemeine Bewußtsein. Zwei Maler beschäftigen sich mit den neuen Medien, als kreative Elemente eines künstlerischen Prozesses. Bei beiden steht an dessen Ende das traditionelle Tafelbild, und beide könnten im künstlerischen Ausdruck nicht unterschiedlicher sein.


Rudi Molacek betrachtet das Malen selbst als eine sinnliche Erfahrung, die er in seinen Blumenmotiven sichtbar macht. In der Galerie Gasser und Grunert GmbH stellt der Maler und Fotograf traditionell gemalte Ölbilder in einen direkten Vergleich zu Arbeiten, die am PC entstanden. Die emotionale Qualität seiner Ölbilder entsteht aus einem phantasievollen Farben- und Formenspiel, das Assoziationen an üppige Blumenlandschaften weckt. Nun stellt sich automatisch die Frage, wie will ein Künstler, für den die subjektive Handschrift der Motor seines Schaffens bedeutet, auf 30 x 30 cm seine Stimmungen ausleben? Was Jackson Pollock sicherlich in eine Existenzkrise gestürzt hätte, erweitert Molacek zu einer neuen sinnlichen Erfahrung. Das virtuell entstandene Bild wird vergrößert auf eine weiße Industrieplane gedruckt. Der am PC entstandene Mikrokosmos verwandelt sich mittels "Blow Up" in einen leuchtenden Makrokosmos. So ergießen sich Kaskaden von Blautönen wie ein Wasserfall über den Betrachter. Dort, wo der Stift nur leicht den Untergrund berührt hat, bilden Farbpunkte leuchtende Spuren, deren Schnittpunkte und Uberlagerungen eine ungeheure Tiefe hervorbringen. Die ungewohnte Ästhetik dieser Bilder zieht in ihren Bann, die unmittelbare Sinnlichkeit der Farben und der hohe Abstraktionsgrad ermöglichen freie Assoziationen.

An die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung führt uns Matthias Groebel in der Galerie Bemdt GmbH. Gegenstand seiner Bilder ist immer der Mensch, das Gesicht, Körperpartien, Ausschnitte aus einer Handlung, die einen Kontext vermuten lassen und sich doch einer konkreten visuellen Greifbarkeit entziehen. Ein wesentliches Element dieser Verfremdung liegt in der Auflösung der Bildschärfe in einzelne flirrende Farbpunkte, bis hin zur Unkenntlichkeit. Die Bilder wirken digital, lassen die Nähe zum Fernsehen vermuten und sind doch Gemälde. Keilrahmen, Leinwand, Pigmente und Bindemittel, alles ist vorhanden, einzig die "Hand des Künstlers" fehlt.


Matthias Groebel bearbeitet digitalisierte Standfotos aus dem Fernsehen. Mit normalen Bildbearbeitungsprogrammen, wie sie in der Werbung tagtäglich Anwendung finden, werden die Vorlagen manipuliert. Anschließend sprüht eine computergesteuerte AirbrushPistole Farbschicht für Farbschicht auf die Leinwand. Indem Matthias Groebel den Fluß der Femsehbilder anhält und das zu Sehende auflöst, wird die Begrenztheit unserer Aufnahme und Verarbeitung von Datenströmen am Bildschirm regelrecht spürbar. Die menschliche Wahrnehmung hat sich zwar an die Schnelligkeit des Datenflusses gewöhnt, aber die Fähigkeit, alle Daten auszuwerten, ist unmöglich. Schon oft wurde mit der Entdeckung eines neuen Mediums das Ende der Malerei vorausgesagt, doch immer wieder hat gerade die Malerei bewiesen, daß sie sich nicht nur der Eigenschaften von neuen Medien bedienen, sondern sie auch kommentieren kann. (roo)

Galerie Gasser und Grunert GmbH, Venloer Str. 19, di-fr 1013, 14-18,
sa 11 - 16, bis 31. 5.

Galerie Berndt, St.-Apern-Str. 17- 21, di-fr 11-18, sa 11-14, bis28. 6.