KUNST

Aus der Pistole geschossen.

Matthias Groebel (38) ist kein gewöhnlicher Maler. Zwar sind seine Bilder durch Auftragen von Acrylfarbe auf Leinwand entstanden, doch den Pinsel hat er dabei nicht selbst geführt. Das erledigt eine komplizierte selbstkonstruierte Maschine für ihn und das Ganze nennt sich dann computerunterstützte Malerei. Die Wirkung der Bilder ist schwer in Worte zu fassen, denn nicht nur Groebels Technik, auch seine Motive sind ungewöhnlich und man steht staunend davor. Zur Malerei ist er eigentlich eher zufällig gekommen, denn der Sohn eines Lebensmittelchemikers und einer Apothekerin hat eigentlich Pharmazie studiert. Per Zufall entdeckte er dann die Kunst für sich. Nach ersten Ver suchen in der abstrakten Malerei kam Groebel ausgerechnet über eine Spielzeugkonstruktion Fisher Technik - ein vom Computer gesteuert Plotter mit einem Filzstift daran - schließlich 1990 zur computerunterstützten Malerei und hatte rasch erste Erfolge damit.

Der Kölner Matthias Groebel spielt mit der Wahrnehmung und inszeniert menschliche
Körper aus Fernsehbildern mit Hilfe
COMPUTERUNTERSTÜTZTER MALEREI

Heute hat Groebel längst Routine im ".Malen" entwickelt. Alles beginnt damit daß Groebel Fernsehbilder aus dein üblichen Fernsehprogramm in seinen Computer übernimmt. Keines ist älter als zehn Jahre, aber der Betrachter hat keine Chance, sie wiederzuerkennen. "In dein Moment, wo ich Filmschauspieler oder Politiker nehmen würde, gäbe es eine Diskussion darüber, was sich inhaltlich abgespielt hat, und das will ich vermeiden. Am besten sind schnell und flüchtig gefilmte Reportagen, je roher, je besser", beschreibt er seine Motivwahl. Die übernommene Einstellung ist so weit aus dem Kontext gelöst, daß kein Zusammenhang mit dem ursprünglichen Inhalt des Programms mehr erkennbar ist. Die Bilder werden digitalisiert und anschließend un Computer nachbearbeitet. Eine Anpassung an das "Raumempfinden" der Elektronik ist notwendig, denn die kennt keine Zentralperspektive wie die klassische "Hardcore-,Malerei". Über eine raffinierte Elektronik werden die Computerbefehle an eine mechanische Konstruktion (bestehend aus so nützlichen Schrotteilen wie einer Fahrradkette, einem Fenster und Resten eines Aufzugs) weitergeleitet. Daran befestigt sprüht eine Airbrush- Pistole eine pigmentierte Acrylfarbe in fünf bis zehn Schichten auf die Leinwand. Manchmal dauert es bis zu 100 Stunden, bis ein Bild fertig ist. Groebel setzt auf diese Weise menschliche Körper in Szene. Ihr Anblick irritiert schon durch ihre überlebensgroße Darstellung. Häfig läßt ihr Gesichtsausdruck auf eine extreme Situation schließen manchmal ist er regelrecht verzerrt vor Angst und Schirierz, aber auch vor Lust oder Freude. Manche Arbeiten enthalten provokante Gewaltdarstellungen, und man fragt sich unweigerlich, was diese Menschen wohl erlebt haben. Plastisch heben sie sich von dein unscharfen 1 Hintergrund ab, scheinen ihren eigenen Raum zu haben und vor dem Bild zu stehen. Die leichte Unschärfe des niedrig aufgelösten Coinputerbildschirms schlägt sich auf dem gemalten Bild nieder und erhöht den Eindruck man hätte vielleicht doch eine Fotografie oder einen Siebdruck vor sich. Hier wird keine unmittelbare Realität mehr transportiert, wie im Kino oder im Fernsehen, sondern vielmehr eine durch Technik manipulierte Realität. Damit passen die Bilder hervorragend in die heutige Bildsprache. Technikfeindlich ist Groebels Anliegen dabei keineswegs: "Mir geht es vorrangig um Formen von Wahrnehmung und Kommunikation in einer Wirklichkeit, die immer stärker von Medien geprägt ist. Darin liegt auch eine politische Dimension, denn der menschliche Körper wird zunehmend überflüssig". Ergänzt wird die Botschaft seiner Bilder noch durch eingefügte Schriftzüge, die in keinem Zusammenhang mit der Bildsituation stehen. Das erzeugt einen bizarren Kontrast, manchmal bis hin zu einer alptraumhaften Unwirklichkeit, die mitunter an David Lynch-Filme erinnert. In Deutschland waren seine Bilder bereits ist Aachen, München und natürlich in Köln zu sehen. Neben der Kölner Galerie Berndt ist er noch in der belgischen Galerie "IN SITU" in holst vertreten und hat bereits an internationalen Gruppenausstellungen in Stockholm und San Francisco teilgenommen. Im Augenblick tüftelt der Technikfreak an einer neuen Konstruktion: coinputerunterstützte Malerei, diesmal aber mit echtem Pinsel

Annette Stiekele

Matthias Groebel., new.clear_ wave,Galerie Berndt St. Apern-Straße 17-21, (25 74 831), Di-Fir 11-18, Sa 11-14 Uhr, 25.4. bis 28.6.
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